(fi) Lassen wir mal das nicht zugkräftige Argument der Energieeinsparung beiseite und fragen: Wem nützt die Sommerzeit (MESZ), wem nicht?
Die Sommerzeit ist keine so gute Sache für jene, die als Gerüstbauer, Bauarbeiter, Bauern, Straßenkehrer, Bäcker usw. früh raus müssen, also Leute, die noch echte, handfeste Arbeit tun. Auch für Schulkinder, die in Deutschland ohnehin zur unchristlichen Zeit von 8 Uhr in der Klasse sitzen müssen, ist sie ein Nachteil. – Allerdings spielt das alles im Sommer überhaupt keine Rolle, denn da wird es ohnehin früh hell. Genau darum hat die Sommerzeit im Sommer ihre Berechtigung.
Eine Sommerzeit im Winter würde aber bewirken, dass alle gezwungenen Frühaufsteher stundenlang im Dunkeln arbeiten und Kinder beinahe vier Monate im Jahr im Dunkeln zur Schule wandern müssen. Ob das wünschenswert ist, wage ich zu bezweifeln. Sinnvollerweise sollte man dann wie in anderen Ländern den Schulbeginn auf 9 Uhr verlegen.
Kommen wir zu den Profiteuren: Die Sommerzeit im Winter kann jenen egal sein, die ohnehin ausschlafen können und erst um 10 zur Arbeit schleichen, oder gar nicht: Europa-Parlamentarier, Journalisten*, Beamte, Banker, Künstler, Freiberufler, Superreiche und Faulenzer. Denn die ›überschlafen‹ die dunklen Stunden frühmorgens und gehen ab 10 Uhr ihrem gewohnten Tagesablauf nach. Die Sommerzeit im Sommer begeistert sie zusätzlich, weil sie dann eine Stunde länger bei Tageslicht Golfen, am See im Biergarten sitzen, Bergwandern oder Gleitschirmfliegen können.
(*Dazu passt wie die Faust aufs Auge diese Aussage des selbsternannten Experten Christian Stöcker auf Spiegel Online: »Morgens dunkel ist mir egal. Abends dunkel finde ich deprimierend und kinderfeindlich.« Noch kinderfeindlicher dürfte es allerdings frühmorgens zugehen. Hat der Mann vergessen, dass Kinder Morgens zur Schule müssen? Hat er keine Kinder? Oder gehen sie auf eine Privatschule, die erst um 10 Uhr beginnt? Man weiß es nicht.)
Das Ganze ist also auch eine ›Klassenfrage‹. Und erlaubt den Schluss, dass die Brüssler Büromenschen & Journalisten eher eine kontinuierliche Sommerzeit bevorzugen werden, als die Rückkehr zur MEZ, der mitteleuropäischen Standardzeit (›Winterzeit‹).
Da wir immer mehr Dienstleistungsgesellschaft sind, und bodenständige, harte Arbeit, die frühmorgens erledigt werden muss, tendenziell abnimmt, ist der Trend zur permanenten Sommerzeit logisch: Die Tagesaktivitäten verschieben sich ohnehin nach hinten. Wann es morgens hell wird, ist nicht so wichtig. Dass es nachmittags/abends länger hell bleibt, ist umso wichtiger. Europa rückt damit zeitmäßig nach Osten. Das wäre das erste Mal, dass es nicht schlimm ist, nach Osten zu rücken …
Somit sollte die Frage der EU-Kommission an die Länder sein: Welcher Zeitzone wollt ihr künftig angehören? (Ausser man ist in Brüssel so verrückt und definiert die Zeitzonen um, statt einfach mit seinem jeweiligen Land in eine weiter östlich gelegene Zeitzone umzuziehen. Und dieses ›Umziehen‹ ist, weltweit gesehen, gar nicht so selten.)
Deutschland wäre bei ›permanenter Sommerzeit‹ dann nicht mehr in der MEZ, sondern in der OEZ, der osteuropäischen Standardzeit.
Spanien liegt seit jeher in der ›falschen‹ Zeitzone, nämlich in der MEZ, wie Deutschland. Geographisch würde es aber vielmehr in die GMT (Greenwich Mean Time, wie England) passen (siehe Bild). Für Spanien würde es also Sinn machen, die MEZ (›Winterzeit‹), beizubehalten und auf die Sommerzeit zu verzichten. Insgesamt könnte sich also eine vernünftige Neusortierung ergeben.
Global betrachtet haben wir wieder mal ein Luxusproblem: China müsste der Größe des Landes entsprechend fünf Zeitzonen haben, es gilt aber nur eine: Die Pekinger Standard-Zeit. Wenn die Hauptstädter um 12 Uhr zu Mittag essen, zeigt die Uhr im westlichsten Teil des Landes zwar auch 12 Uhr, nach der wahren Ortszeit (WOZ) die sich am Sonnenstand orientiert, ist es aber erst 8 Uhr früh, also Zeit fürs Frühstück. Und im äußersten Osten zeigt die Uhr ebenfalls 12 Uhr mittags, während es im Winter fast schon zu dämmern beginnt.
© Armin Fischer / textundtext.de, 2018
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