Von Stiefeln und Surfbrettern
(fi) Ich war noch Student, als ich mir eines Tages neue Wanderstiefel gönnte, sie waren sehr teuer damals, von der Marke Lowa, und so bequem und komfortabel, dass ich sie am liebsten nie wieder ausgezogen hätte. Diese Schuhe begleiteten mich dann 15 Jahre. Irgendwann fing ich an, mit einem Stift die Reiseziele auf das Wildleder der Schuhe zu schreiben – so wie andere ihre Koffer mit exotischen Aufklebern bekleben …Es begann in Europa: Frankreich, Holland, Luxemburg, Belgien, England, Schottland, Wales, Schweden, Dänemark, Spanien, Italien, Sardinien, Korsika, Griechenland, Kreta, Santorin, Karpathos, Türkei, Jugoslawien, Ungarn, Österreich, undsoweiter stand dann auf den Schuhen. Dann ging es weiter: Kanada, USA, Peru, Bolivien wurden als nächste Ziele verewigt. Währenddessen verblassten die ersten Wegmarken und waren nicht mehr lesbar. Und irgendwann hörte ich auf, die Stiefel zu ›tunen‹ und das schöne, nach Jahren immer noch edle Leder zeigte sich wieder.
Die Stiefel blieben mein Untersatz. Auf Lanzarote, Malta, Gozo, Mallorca, Ibiza, in Tunesien und Ägypten. Und dann Asien: Hongkong, Thailand, Singapur, Malaysia, Indonesien, Bali, Lombok. Und schließlich weiter: Australien, Neuseeland – und Samoa, die Südsee.
Es gab drei Ziele, bei denen ich das Gefühl hatte, ich sei ›angekommen‹: Bali, Sydney und Samoa. Leider sind ausgerechnet diese meine Lieblings-Reiseziele eine ganze Ecke entfernt. So bin ich im Lauf der Jahre zum Dauer- und Fernreisenden geworden. Als Journalist habe ich auch viele Reiseberichte geschrieben, einige finden Sie auf dieser Website. Und ich habe auch in ausländischen Zeitungen veröffentlicht: den ›Reichweiten-Rekord‹ hält ein Artikel in der samoanischen Zeitung ›Newsline‹.
Die Reisen führten mich (fast) immer ans Meer. Auf Bali saß ich in einem Häuschen nah beim Strand und schrieb einen Artikel für das neugegründete deutsche Magazin mare. Und hier entdeckte ich auch eine neue Leidenschaft: Wellenreiten. Ein Sport, der den ganzen Körper, den ganzen Mann, fordert. Wenn sich eine mächtige Welle nähert, gibt es kein Zögern: Entweder man weicht ihr aus, oder man nimmt sie, reitet sie ab. Wer aber anfängt zu paddeln, um auf die Welle zu kommen, und sich auf halben Weg umentscheidet, weil er Angst bekommt, wird drei Meter unter Wasser gedrückt, durchgespült und durchgeschüttelt. Keuchend und schnaufend taucht man auf – und dann bricht schon die nächste Welle über einen herein.
Manche Surfer sind immer am richtigen Platz und gleiten souverän dahin, andere sind immer deplaziert und werden durchgeschüttelt – es ist wie im richtigen Leben.
© Armin Fischer, 2008
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